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Neue Aufgabe im Marketing: die digitale Wissenszentrale

Digitale Netze und die völlig neuen Anforderungen an eine direkte Kundenkommunikation verändern die Aufgaben im Marketing. Im Unternehmen bekommt Marketing – neben der Arbeit als Kommunikationszentrale – die Aufgaben einer Koordinations- und Kommandozentrale zugewiesen. Hier im ersten Teil beschreibe ich, auf welche Aufgaben sich die Marketingabteilung zukünftig vorbereiten sollte, und welche ersten Schritte sie gehen kann.

Kommunikation findet immer noch in der Hauptsache über E-Mails statt. Zumindest drängt sich dieser Eindruck auf, wenn man seinen täglichen Arbeitsplatz betrachtet. Und auch eine große Menge Markenkommunikation, insbesondere im B2B-Umfeld, ist geprägt von der E-Mail. Aber dieser Eindruck täuscht. Digitale Kommunikation und direkter Dialog sind immer stärker auf dem Vormarsch. Sie stellen neue Anforderungen an die Kommunikation in allen Bereichen des Unternehmens.

Die neue Macht des Kunden ist der Auslöser für neue Aufgaben im Marketing

Die größte Umwälzung ist die auf dem Internet basierende neue Macht des Kunden. Der Kunde erwartet Services, die er über mobilfähige Webseiten, über Twitter oder Facebook abfragen kann. Er will mit dem Vertrieb über E-Mail, Telefon und WhatsApp kommunizieren. Oft wird sich vorab auf Internetplattformen informieren und eine Vorauswahl treffen. Kommentare und Erfahrungen anderer Kunden sind ihm genauso wichtig wie Hintergrundinformationen des Unternehmens. Entscheidungen trifft er nicht mehr alleine, und oft auf ganz neuer Basis: z.B. ist im Bereich Anwendungssoftware die IT-Abteilung oft gar nicht mehr der alleinige Entscheider. Der Kunde erwartet, dass das Unternehmen ihm zuhört und auch aktiv wird, wenn er Fragen, Anregungen oder Beschwerden hat – auf dem Kommunikationskanal, den er, der Kunde, bevorzugt. Der Kunde entscheidet, wann und wo er zu welchen Konditionen kauft – oft ad hoc, und mittlerweile mehrheitlich mobil. Er hat die Wahl, und diese Wahl gibt ihm die Macht.

Marketing bekommt jetzt vier neue Aufgaben zugeteilt – und die sind gar nicht so einfach zu bewältigen:

  1. Mehr Informationen aus anderen Quellen bekommen, analysieren und aufbereiten
  2. Neues Wissen und neue Werkzeuge aufbauen und effektiv einsetzen, um den Kundendialog zu steuern und zu kontrollieren
  3. Fachabteilungen einbinden, aktiv in den Dialog integrieren und das Wissen um die spezifischen Kommunikationsverhalten in digitalen Medien weitergeben
  4. Die Entwicklung neuer Produkte und Services in und mit digitalen Technologien unterstützen, bis hin zu neuen Geschäftsmodellen

Betrachten wir die ersten zwei Aufgaben einmal genauer und überlegen, wie Marketing diese völlig unterschiedlichen und neuen Themen angehen kann.

Erster Schritt: Informationen sammeln und auswerten

Marketing wird zuerst in die Analytik gehen und einige Fragen klären:

  • Wer ist mein Kunde wirklich? Wer entscheidet, wer oder was beeinflußt die Entscheidung?
  • Wie ist das Image meiner Marke bei den Entscheidern?
  • Wie trifft mein Kunde eine Kaufentscheidung, welchen Weg geht er, welche Daten nutzt er dafür, und welche Kommunikationskanäle erwartet er?
  • Welche Informationen biete ich meinen Kunden auf welchen Kanälen an, und welche Informationen bietet mein Wettbewerb?

Diese Fragen sind nicht neu, sie treiben Marketing schon immer an. Sie wurden immer aus Markensicht beantwortet, um neue Zielgruppen zu identifizieren und der Marke zu öffnen. Neu an dieser Fragestellung ist, dass der Kunde ein viel breiteres Auswahlspektrum hat: kauft er ein fertiges Müsli im Supermarkt, oder stellt er sich online sein ganz persönliche Mischung zusammen? Kauft der Kunde ein neues Auto, meldet er sich bei einem Car-Sharing-Service an, oder probiert er es erst einmal nur mit der Uber-App aus und überlegt dann, was er wirklich braucht? Läßt er sich beim Händler vor Ort beraten, um dann noch im Laden die Preise Online zu vergleichen, oder sucht er sich die Informationen online zusammen und kommt danach mit der Erwartung in den Laden, eine bestimmte Ware sofort mitzunehmen und nicht auf den Versand warten zu müssen?

Es ist ein mehrdimensionales Denken, das von Marketing gefordert wird. Und es helfen nur qualifizierte Daten, um diese Fragen beantworten zu können. Eine große Rolle spielt dabei nicht nur die mittlerweile mehrheitliche Nutzung des mobilen Internets. Auch die Frage nach veränderten Gewohnheiten und neuen Alternativen muss gestellt werden.

Datenabfrage und analyse ist der wichtigste Schritt

Um diese Daten zu bekommen muss Marketing auf mehreren Ebenen aktiv werden:

  • Die Grundlagen dafür legen, beim Kunden im richtigen Moment präsent zu sein, und ihn zur Eingabe von Daten bringen. Einerseits durch die Optimierung von Webseiten für die Präsenz in Suchmaschinen (SEO). Andererseits die Prüfung der Frage, wann und wo ich Daten von Kunden abfrage, was der Kunde dafür bekommt, und was ich mit diesen Daten letztendlich mache.
  • Die vorhandenen Datenquellen besser nutzen, z.B. durch Optimierung der E-Mails, die das Unternehmen an Kunden verschickt, durch eine Analyse des Kundenweges auf der Webseite, und über die Beantwortung der Frage, wann und wo der Kunde mobil auf die Seite zugreift.
  • Die Kundenmeinung einfangen. Mit einem expliziten Monitoring von Social Media und anderen Informationsquellen kann ein sehr detailliertes Bild zum Unternehmen, zum Marktumfeld, zu den Produkten sowie zu den Erwartungen der Kunden erzeugt werden.

Es ist wichtig, zuerst die Position der Marke und die Erwartungen des Kunden zu analysieren, bevor Marketing selbst in Sozialen Netzen aktiv wird und Dialoge aufbaut. Einerseits schützt es davor, in potentielle offene Messer zu laufen. Andererseits erhöht es die Erfolgsaussichten der späteren Dialoge, da sie wesentlich gezielter eingesetzt werden können.

Zweiter Schritt: Neues Wissen aufbauen und neue Werkzeuge im Marketing nutzen

Auch Marketing reflektiert die klassische Siloorganisation im Unternehmen und ist ähnlich abgegrenzt organisiert: PR, Events, Advertising, Werbemittel & Publikationen, Produktmarketing, usw. Insofern trifft Marketing dasselbe Problem zuerst, das auch in den Fachabteilungen aufkommt: alle Bereiche brauchen eine dedizierte Wissensbasis, um digitale Medien optimal für ihren Bereich einsetzen zu können. Ein Großteil des Wissens überschneidet sich, aber nicht alles. Oft sind spezifische Kanäle oder Werkzeuge für dedizierte Aufgaben notwendig, manchmal auch ganz spezielles Wissen. Außerdem gibt es zusätzliche Rollenbeschreibungen, die berücksichtigt werden sollten. Der Fachbegriff dafür ist „Digital Literacy“, es ist ein Unterthema des Bereichs digitale Transformation, der das ganze Unternehmen betrifft.

Digital Literacy im Marketing
Digitale Transformation im Unternehmen

Digital Literacy und die neuen Rollen im Unternehmen

Marketing fungiert also als Vorreiter, wenn es darum geht, Digital Literacy aufzusetzen und neues Wissen aufzubauen. Dabei wird auch neues Wissen intelligent auf die Mitarbeiter verteilt und in die Jobs integriert. Umgesetzt wird es spätestens, wenn die Customer Journey, also der Weg des Kunden von der Awareness zum Produkterlebnis, digitalisiert wird. In den meisten Unternehmen beginnt dies mit ersten Schritten in Social Media.

Hier habe ich beobachtet, dass Marketing oft schnell an die eigenen Grenzen stößt. Dies ist immer organisatorisch bedingt, da man versucht, digitale Kommunikation irgendwie in der vorhandenen Siloorganisation unterzubringen. Viele Unternehmen schaffen sich einfach ein zusätzliches Silo, indem sie einen Social Media Manager implementieren. Dieser ist dann für die gesamte digitale Kommunikation zuständig und schnell überfordert. Tatsächlich ist es notwendig, hier die Silos aufzubrechen und das Thema übergreifend anzugehen.

  • Ein Digital Architect wird die technischen und organisatorischen Grundlagen legen und ist für das Change Management zuständig.
  • Die Gesamtaufgabe „Digitale Kommunikation“ wird auf alle Mitarbeiter der Abteilung verteilt. In kleineren Abteilungen übernimmt der Marketingleiter oft auch die Rolle des Digital Marketing Executive
  • Mehrere Mitarbeiter bauen ein ähnliches Wissen auf, um sich ergänzen und vertreten zu können
  • Ziel ist jeweils, spezifisches Wissen zu schaffen, das die eigene Aufgabe optimiert. Alle Mitarbeiter übernehmen Teilbereiche, die einem tradierten Social Media Manager zufallen würden.
  • Rollen werden anhand der Fähigkeiten der Mitarbeiter verteilt, ein Kommunikator bekommt andere Aufgaben als jemand, der eher analytisch arbeitet

Eine multidimensionale Vorgehensweise klingt kompliziert, ist aber effektiver

Hier habe ich ein Beispiel dargestellt, wie verschiedene Aufgaben und Wissensstände – anhand der Qualifikation der Mitarbeiter zielführend verteilt werden können:

Harvey-Ball-Sheet Aufgabenverteilung im Marketing
Aufgabenverteilung im Marketing

Das Thema Digitalisierung der Customer Journey wird schnell komplex und bricht gern aus der Siloorganisation aus:

  • Spezielle Werkzeuge werden eingesetzt, um die Dialoge in Social Media zu verwalten und zu steuern;
  • Suchmaschinenmarketing und dediziertes Kundentargeting wird auf Basis der Daten geplant, die das Monitoring im ersten Schritt ausgibt;
  • Daten, die aus den Dialogen und aus dem Monitoring gewonnen werden, sollen in das eigene Customer Relationship Management CRM integriert werden, damit Vertrieb und Services diese Daten nutzen können;
  • Neue, eher technologische Fragen tauchen sehr schnell auf und wollen gelöst werden: die Implementierung, Koordination und Integration von Cloud-basierten Anwendungssystemen (fast alle Social Media Management- und Monitoring-Tools sind Cloud-basiert) untereinander und in die vorhandenen IT-Systeme sowie die Nutzung neuer, mobiler Technologie am Arbeitsplatz. Hier ist eine engere Zusammenarbeit mit der IT notwendig. Später wird die Fragestellung sein, inwieweit die zunehmende Mobilität der Nutzung sowie Technologien wie das Internet der Dinge heute schon einen Einfluss auf die Produkt- und Kampagnenplanung haben sollten.
  • Neue rechtliche Anforderungen kommen auf Marketing hinzu, insbesondere bzgl. der Speicherung und Kombination von Daten. Welche Daten darf ich zusammenbringen, ohne dass der Kunde dem explizit zustimmen muss? Aber auch intern tauchen rechtliche Fragestellungen auf: zum Beispiel nach der Haftung von Unternehmen und einzelnen Mitarbeitern sowie nach Arbeitszeitregelungen und der Mitbestimmungspflicht.

Ich kann jeden Marketingmanager verstehen, der sich jetzt denkt, dass dies viel zu komplex und für seine Abteilung realistisch nicht zu bewältigen ist. Leider gibt es zu vielen dieser Themen keine Alternative. Und die Ausprägung dieser Fragestellungen ist je nach Marke, Produkt und Unternehmen sehr unterschiedlich. Das benötigte Wissen muss also erst einmal bewertet werden, um zu entscheidenden, wie und mit welchen Anforderungen es auf die Abteilungverteilt wird.

Letztlich soll der Prozess dazu dienen, die Arbeit des einzelnen Mitarbeiters zu vereinfachen und zu optimieren – und nicht die Arbeitslast weiter zu maximieren.

Im zweiten Teil dieses Artikels geht es dann um die zukünftige Ausrichtung der Marketingabteilung als Kommunikationslenker, als Kommandozentrale und als Enabler neuer Produkte und Geschäftsmodelle.

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