Scroll Top

Tools, Technologien & neue Aufgaben: die Überforderung des Marketings

Jahrelang galt Marketing als Insel der Seligen – Fotoshootings auf den Bahamas, endlose Parties und der Schrank voller wertvoller Kundengeschenke gehörten zum eigenen Image. Nun breitet sich Ernüchterung aus und Marketing wird zur am stärksten geforderten und überforderten Abteilung im Unternehmen. Was ist passiert?

Marketing wird gerade auf den Kopf gestellt. Es muss sich noch nicht einmal selbst ändern. Marketing ist eine der Abteilungen – wenn nicht gar DIE Abteilung -, die durch technische und organisatorische Disruption von außen im stärksten betroffen ist. Diese Disruption betrifft drei Bereiche: die Aufgaben, die eingesetzten Werkzeuge, und das zugrundeliegende technologische Wissen.

Aufgaben und Organisation – von der Kommunikations- zur Kommandozentrale

Digitale Netze und die völlig neuen Anforderungen an eine direkte Kundenkommunikation verändern die Aufgaben des Marketings. Der Zugriff über mobile Endgeräte mit seinen neuen Möglichkeiten stellen ganz neue Anforderungen. Im Unternehmen bekommt Marketing – neben der Arbeit als Kommunikationszentrale – die Aufgaben einer Koordinations- und Kommandozentrale zugewiesen. Vertrieb, Service, Entwicklung, Logistik – von allen erwartet der Kunde offene Kommunikation. Digital Literacy und neue organisatorische Strukturen, die diesem Anspruch gerecht werden, müssen im Marketing selbst und auch im Unternehmen umgesetzt werden. Die GF schaut hier auf Marketing.

Neue Werkzeuge – immer mehr und neue Tools versprechen, Struktur ins Chaos zu bringen.

Social Media Management, Suchmaschinenoptimierung, Responsive Webdesign, Monitoring, Sales Funnel Management, Advertising Planning & Optimization, für alle neuen Aufgaben gibt es passende Werkzeuge. Die alte Software-Entwicklungsregel „ a fool with a tool is still a fool“ gilt aber auch hier. Gute Werkzeuge nehmen keine Entscheidungen ab, sie unterstützen Fachleute darin, ihr Wissen zu strukturieren und gezielt einzusetzen. Die Werkzeuge sind also dann wirklich sinnvoll, wenn man weiß, was man damit machen sollte. Mitarbeiter der Marketingabteilung müssen also das zugrundeliegende Wissen aufgebaut haben, bevor die Werkzeuge eingesetzt werden. Der reine Einsatz der Werkzeuge ersetzt nicht den Wissensaufbau.

Technologie – Cloud Computing und das Internet der Dinge

Es gibt kaum noch ein Werkzeug, das nicht als Cloud-Lösung angeboten wird. Was ich hier so salopp ausspreche, sorgt in der Marketingabteilung schnell für heillose Verwirrung. Das Prinzip „Cloud-Lösung“ ist einfach erklärt, die Implikationen für die tägliche Arbeit aber für den IT-Laien kaum absehbar. Im Handumdrehen entsteht ein Umfeld mehrerer, auf unterschiedlichen Servern laufender, wenig koordinierter Cloud-Lösungen, die auch sensible Kundendaten enthalten. Wie können diese Lösungen ineinander integriert werden? Wie bringe ich die Daten mit denen meines CRMs zusammen, das womöglich auch in der Cloud arbeitet? Welche der Daten darf ich zusammenbringen, ohne aus einer Marktbeobachtung in ein gezieltes Kundenprofiling abzurutschen, das viel strengere rechtliche Anforderungen an das Unternehmen stellt?
Während Marketing noch versucht, diesen Problemkreis zu lösen, kommt eine andere Technologie auf den Plan – das Internet der Dinge. Dies betrifft einerseits die Produktentwicklung, bei der Marketing beratend zur Seite stehen sollte – was wiederum Wissen erfordert. Zum anderen werden auf diesem Wege Daten gesammelt, die Rückschlüsse auf das Kaufverhalten geben und gezielt genutzt werden können, um selbiges positiv zu beeinflussen. Hier ist Wissen um die Möglichkeiten und die technische wie finanzielle Machbarkeit gefragt, um die Sinnhaftigkeit einzuschätzen. Das Internet der Dinge ist noch recht neu, kommt aber rapide näher und wird ein weiterer Faktor sein, der in kürzester Zeit im Marketing nicht mehr wegzudenken sein wird. Es ist also kein Thema, das man jetzt auf die lange Bank schieben kann, um sich vermeintlich wichtigeren Dingen zu widmen.

Wie kann Marketing dieser Überforderung nun Herr werden?

Langwierige Lösungsszenerien sind nicht gewollt, denn man möchte sich der Lösung der Überforderung stellen und nicht auf einer Metaebene agieren, die das Unternehmen nicht voranbringt. Trotzdem muss man einmal einen Schritt zurücktreten und sich die folgenden Fragen stellen:

  1. Wie muss Marketing im Unternehmen positioniert sein?
    Die Frage kann nur auf Geschäftsführungsebene beantwortet werden, und das macht sie so schwierig. Was gestern noch die Abteilung für Events und Werbegeschenke war, bekommt nun die zentrale Hoheit über die Kundenkommunikation unterschiedlicher Abteilungen und dafür – notwendigerweise – auch eine gewisse Weisungsbefugnis. Für den einen oder anderen Manager eine bittere Pille, die oft nur durch die dringende Empfehlung externer Berater überhaupt akzeptierbar wird.
  2. Welches technologische Wissen ist notwendig, und wie können wir es aufbauen?
    Marketing kann und soll die IT-Abteilung nicht ersetzen, kann sie aber auch nicht einfach übergehen. Hier ist eine neue Art der Zusammenarbeit zu suchen, die auf ein stärkeres eigenes Wissen aufbaut. Marketing muss in die Lage versetzt werden, eigene Technologieabschätzungen machen zu können, um klare Forderungen an die IT bezüglich einer Umsetzung stellen zu können. Dies gilt umso mehr, da immer mehr technologische Aspekte die eigentlichen Aufgaben des Marketings betreffen. Die Kommunikation findet immer mehr auf und mit Computern statt, allein deswegen kann Marketing nicht so tun, als müßte es nichts darüber wissen.
  3. Welchen neuen Aufgaben muss sich das Marketingteam stellen, und nach welchen Kriterien verteilen wir sie?
    Grundsätzlich geht es darum, neues Wissen und neue Fähigkeiten aufzubauen und sinnvoll innerhalb der Abteilung auf die Köpfe zu verteilen. Silos sind Gift, auch und gerade in der Organisation der Marketingabteilung (und die meisten sind immer noch wie Silos organisiert). Stattdessen muss ein neues Grundwissen für den Arbeitsplatz definiert und aufgebaut werden. Marketing sollte hierbei die gleichen Ansätze verwenden, die bei der Implementierung einer Digital Literacy im Unternehmen erfolgreich sind:
    – Neue Rollen definieren und beschreiben
    – Die neuen Rollen entsprechend der Fähigkeiten der Mitarbeiter verteilen
    – Keine neue Wissenssilos aufbauen.

Eine Matrix-Organisation ist an dieser Stelle kein hilfreicher Lösungsansatz, da sie rein organisatorisch wirkt und den Blick auf das Wesentliche verstellt – es geht um die Strukturierung von Wissen, nicht von Organisationen. Eine Matrixorganisation würde den Silos hier nur einen höheren Komplexitätslevel verleihen, ohne sie aufzulösen.

Wissen und Aufgaben werden überschneidend oder unter unterschiedlichen Aspekten betrachtet auf mehrere Personen verteilt. Ein Produktmanager und ein Eventmanager betrachten Social Media Monitoring jeweils mit ihrer eigenen Brille und werden individuell unterschiedliche Ansätze entwickeln, die Werkzeuge zu nutzen und Informationen aufzubereiten. Sie können sich gegenseitig unterstützen; gemeinsam werden sie das Thema Monitoring im Marketing stärker und variantenreicher voranbringen.

Der Digital Marketing Executive als Koordinator des digitalen Marketings

So, wie das Unternehmen mittelfristig einen Chief Digital Officer einsetzen muss, um die Aspekte der Digitalisierung im Unternehmen zu koordinieren und zu optimieren, so wird Marketing einen Digital Marketing Executive einsetzen müssen. Dieser wird dieselbe Aufgabe bezogen auf die Kundenkommunikation übernehmen, die Umstellung koordinieren und kontrollieren, und als Entscheider die richtigen Weichen stellen.

Hinterlasse einen Kommentar